JarvisBln - Kommentare

Alle Kommentare von JarvisBln

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    JarvisBln 27.04.2024, 11:58 Geändert 27.04.2024, 12:46

    Ein deutsches B-Picture im US-amerikanischen Sinne (was es gar nicht so oft gibt). Eine Frau mit einem Geheimnis (Marianne Hopppe ganz konzentriert bei der Sache) steht im Mittelpunkt, eine Frau mit einem zweiten Gesicht, das erst in einer ausführlichen Rückblende (in der nochmals zurückgeblendet wird) im zweiten Teil des Films erscheint. Wie es dazu kommen konnte wird anhand von Versatzstücken aus Hypnose, Psychoanalyse, Mad-Scientist-Anleihen (Vermessung des Menschen zur Bestimmung der Herkunft, und das 1948!), dem Zurückkommen auf die Faszination von Gesichtern, einer Maske, einer Amour Fou, Marihuana-Ampullen (!) und Buddhismus versucht herauszufinden und zu erklären. Dass diese krude Mischung funktioniert (wie gesagt, B-Picture) ist der atmosphärisch dichten Gestaltung des Films und den guten, alles mit grossem Ernst spielenden Schauspieler_innen zu verdanken.

    • Nicht in MP:
      Arsenal - UŽMURI (UdSSR, 1934). Regie: Nutsa Gogoberidze. Entstanden in der Sowjetrepublik Georgien. Die Sümpfe von Mingrelia ziehen die Moskitos an, selbst die Bäume haben hier Malaria heisst es im Film. Junge Aktivist_innen wollen den tödlichen Sumpf trockenlegen, die Traditionalist_innen, an Geister glaubend, wollen das verhindern. Fast verschlingt der Sumpf die Reformer_innen, doch im strahlend montierten Finale werden sie siegen. 7 Punkte.

      • Nicht in MP:
        Arsenal - Buba (UdSSR, 1930). Regie: Nutsa Gogoberidze. Entstanden in der Sowjetrepublik Georgien. Kurzdokumentation über eine ländliche Region, mit genauem Blick auf Menschen und ihre Arbeit, aber auch auf die Wolken und Hänge, die diagonal das Bild teilen. 6.5 P.

        • JarvisBln 21.02.2024, 10:25 Geändert 02.03.2024, 17:03

          Nicht in MP:
          Hackesche Höfe - Notes from Gog Magog (Indonesien, 2022). Regie: Riar Rizaldi.
          Kurzfilm. Der Kampf gegen die Teufel, die der Titel suggeriert, ist hier der Kampf gegen die bedrohlichen Arbeitsbedingungen im Kapitalismus, der in apokalyptischen animierten Welten endet.

          • JarvisBln 14.01.2024, 11:14 Geändert 14.01.2024, 11:30

            Nicht in MP:
            Zeughauskino - Ilses Verlobung (D, 1914) mit Ilse Bois. Kurzfilm, Ilse (Ilse Bois, nicht ganz so bekannt wie ihr Bruder Curt, sie war Filmstar der 10er Jahre, dann Bühnenkarriere), gerade mal 18 Jahre alt, soll mit dem älteren Freund der Mutter verlobt werden. Sie neckt lieber mit ihren gleichaltrigen Cousin und zieht zum Turnen an der Teppichstange schon mal einfach den Rock aus. Ilse Bois spielt burschikos und unbekümmert, ein wahres Vergnügen. 7 Punkte.

            • 7

              Dieser Film ist verschollen, gesehen und gewertet wurde die englische Sprachfassung, ebenfalls von Wilhelm Thiele und mit Lilian Harvey.

              • Nicht in MP:
                Arsenal - The Battle of Tuntenhaus (GB, 1990). Regie: Juliet Bashore. Zwei Fernsehbeiträge für den britischen Sender Channel 4. Dokumentiert das Leben und die Räumung des besetzten Tuntenhauses in der Berliner Mainzer Strasse im Kontext von schwuler Selbstbestimmung und Tunten-Utopien vor dem Hintergrund der Zunahme rechtsradikaler Angriffe. Im zweiten Teil, ca. 2 Jahre danach, ein Abgesang auf diese Utopien, die Realität der Wiedervereinigung Deutschlands, aber auch die verdrängte Konfrontation mit AIDS holen die Protagonistinnen ein. 6 P.

                • JarvisBln 27.09.2023, 11:36 Geändert 27.09.2023, 11:36

                  Nicht in MP:
                  Arsenal - Kai as mazas buvau (Als ich ein Kind war). (UdSSR, 1969). Regie: Algirdas Araminas.
                  Entstanden in der Sowjetrepublik Litauen. Eine junge Liebe, zwischen unbeschwertem Glück unter wilden Pferden und Alltagspflichten, Eifersucht und Unsicherheit. Wann werden wir Unabhängigkeit und Freiheit finden, fragen sie sich. Dazu aus der Jukebox "The House of the Rising Sun". 7 Punkte

                  • 6
                    JarvisBln 23.09.2023, 12:43 Geändert 23.09.2023, 12:45

                    Ein für seine Zeit erstaunlicher Film. Masken wohin man schaut. Es ist Fasching in München, und es geht da recht freizügig, auch eindeutig erotisch zu. Der Maler, die männliche Hauptfigur, malt mit grossem Erfolg die Damen der Gesellschaft, so wie sie sich gerne sehen, doch sein Frühwerk, von allen gelobt, ist sein künstlerisches Bekenntnis, im Stil der Neuen Sachlichkeit, zur Entstehungszeit des Films von den Nazis schon als "entartet" diffamiert. Dass dann auch noch die heilige Institution der Ehe ausgehebelt wird, rundet die Sache ab. Nach "Reise in die Vergangenheit" eine weitere Entdeckung von Hans Zerlett.

                    • 6

                      Was könnte im Nachkriegs-Deutschland von 1945 wohl zu einem "europäischen Skandal" führen? Richtig: Wenn eine Prinzessin unstandesgemäss für ihren Lebensunterhalt arbeitet. In dieser milden, aber einnehmenden Satire ist der Adel, trotz zerbombtem Schloss und blühendem Schwarzhandel nach wie vor auf Etikette bedacht, und sei es in billigen Theaterkulissen, einzig Jenny Jugo als Prinzessin erkennt pragmatisch die Zeichen der Zeit. Und wenn sie mit dem stattlichen Peter van Eyck im Kellergefängnis sitzt, und sie bei "La Paloma" zueinander finden, sind wir wieder ganz bei Käutners Zärtlichkeit, bei der grossen Freiheit unter den Brücken.

                      • 6

                        Starkes autonomes, subjektives Kino, wie es in den 70er Jahren in Deutschland oft zu finden war, ohne Drehbuch (es gab eines wegen der Filmförderung, wurde aber in irgendeiner Kneipe liegen gelassen, laut Erinnerung von Lothar Lambert), mit Laien und Schauspieler_innen aus dem Bekanntenkreis. Hauptfigur ist der schwarze ehemalige GI John, er driftet durch West-Berlin (der Film ist auch ein schönes Dokument der Stadt), sexuell uneindeutig lässt er viel passiv über sich ergehen, wie in einer griechischen Tragödie kommt der Abstieg zwangsläufig. Der Film versteht sich als antirassistisch, jedoch auf komplexe Art, ist er doch von einem weissen Mann gemacht, der Blick von aussen ist hier immer mitgedacht, seine Bilder und Sprache werden heute ganz anders gelesen, und doch ist diese Direktheit dem Thema angemessen, weil so geredet und geschaut wurde. Wenn der schwarze Körper gezeigt wird, wird seine Objektifizierung immer mitgedacht. Priscilla Layne benutzt in ihrem Aufsatz „"Schwarz ist in": Racial Fetishism, Sexuality, and Black Masculinity in Lothar Lambert's "1 Berlin-Harlem““ den Begriff „racial fetishism“, den sie zwar für diesen Film ablehnt, mir scheint er aber ganz treffend, wobei Fetisch hier nicht ausschliesslich sexuell gemeint ist.
                        Zu diesem Thema gibt es einen wunderbaren Kurzauftritt von Rainer Werner Fassbinder und Ingrid Caven, Fassbinder erklärt John ganz beiläufig "Weisst Du, ich mach’ so Filme".
                        Das waren die Zeiten, von man und frau einfach so Filme machte.

                        • JarvisBln 27.02.2023, 12:51 Geändert 27.02.2023, 12:58

                          Nicht in MP:
                          Hackesche Höfe - Smog en tu Corazón (Argentinien, 2022). Regie: Lucia Seles. 6 Personen auf einer Tennisanlage - pausenlos haben sie das dringliche Bedürfnis etwas mitzuteilen, zu reden, aber nie wird etwas klarer, im Gegenteil. Sie bewegen sich leicht verklemmt, halten fest an Formalien (die Tennislehrerin will unbedingt Tennisspielerin genannt werden), an Objekten (eine CD-Sammlung (aus 16 CDs bestehend) ist konstitutiv für das Glück), und die romantischen Fixierungen gehen im Kreis, so dass niemand zufrieden sein kann. Während der Gespräche schweift die Kamera immer wieder ab, zusammenhanglose Bilder werden eingeschnitten - es ist ein Film der einfach Freude macht, eine Absurdität mit Stil und Intelligenz. 7 Punkte.

                          • Nicht in MP:
                            Hackesche Höfe - Tsuki No Yuro (Moon Night) (Deutschland 2022). Regie: Manaka Nagai.
                            Kurzfilm, entstanden an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, unter Leitung von Angela Schanelec. Eine fast schon romantische kleine Geschichte, eine junge Frau muss mit einem Tod umgehen, beim Wäscheaufhängen trägt ein weisses Hemd sie zum Mond empor. 6 Punkte.

                            • 8
                              JarvisBln 23.02.2023, 15:12 Geändert 23.02.2023, 15:14

                              Was für eine Überraschung. Jazz und Gospel rhythmisieren den Film, der Schnitt ist hervorragend, und Baldwins Radikalität ist so klug und wahr: 20 Jahre nach dem Marsch auf Washington sagt er, die Integration war ein grosser Fehler, es wurde den Schwarzen Identität genommen und nichts gegeben. Und das Traurige dabei: auch heute, weitere 40 Jahre später hat sich nichts grundlegend geändert.

                              • 7

                                Politisches Kino, klare Botschaften und die Poesie Duisburgs. Einerseits sehr agitpropmässig direkt, andererseits lässt er sich viel Zeit, die Welt der Protagonist_innen zu malen. Ein bisschen Weimarer Politkino im 70er Jahre Look.

                                • 6
                                  JarvisBln 12.02.2023, 16:16 Geändert 12.02.2023, 16:18

                                  Hier hat die MP Datenbank zwei Filme zusammengeschmissen: Es gibt zwei Filme mit dem Titel "Orpheus in der Unterwelt" einen von Horst Bonnet (DDR 1974) und einen von Joachim Hess (BRD 1973). Auch die Besetzung wurde zusammengezogen . Dorit Gäbler und Rolf Hoppe sind in der DDR-Fassung, Liselotte Pulver in der BRD Fassung.

                                  • Nicht in MP:
                                    Cinerama (Rotterdam) - Romance at Lung Shan Temple (Taiwan, 1962). Regie: Pai Ko (auch als Bai Ke transkribiert). Ein leichter, musikalischer Film, der in seiner simplen Machart an deutsche Schlagerfilme aus der Zeit erinnert, der jedoch nicht müde wird, ein ernstes Thema aufzugreifen: Taiwanesen und Festlandchinesen sollten ihre Vorurteile überwinden, sich zusammentun und eine gemeinsame Zukunft aufbauen.

                                    • Nicht in MP:
                                      Cinerama (Rotterdam) - Die Herrgottsgrenadiere (Schweiz, 1932). Regie: Anton Kutter. Goldfieber in den Schweizer Alpen. Das Leben der Menschen ist im Einklang mit ihrer Umgebung, eine seltsam gleiche Schroffheit wie auch Sanftheit bestimmt die Gesichter der Menschen, wie auch die Berge und Wiesen (überhaupt die Fotografie, eine ästhetische Überhöhung, die aber nie in falsches Pathos umschlägt, sondern immer dienend ist). Dieser Einklang wird empfindlich gestört, wenn die Ausbeutung des Bodens durch profitorientierte städtische Unternehmen beginnt, das Dorf spaltet sich, ist die Aussicht auf ein Ende der Armut doch verlockend. Noch einmal kommt das Dorf einig zusammen zum Berggottesdient, die titelgebenden Herrgottsgrenadiere schützen des Heiligste, was für eine erhebende Szene, während im Hintergrund die Sprenggeräusche zu hören sind. Doch die Goldsuche nimmt kein gutes Ende. „Wenn Du Gold suchst, suche es in Deinem Herzen“, heisst es zum Schluss. 7.5 Punkte.

                                      • Nicht in MP:
                                        LantarenVenster (Rotterdam) - The eighth day of the week (Ungarn, 2006). Regie: Judit Elek. Eine ähnliche Geschichte wie in "The Lady from Constantinople), nur diesmal ind er kapitalistischen Variante. Eine ältere Frau, ehemals bekannte Künstlerin, jetzt gibt sie Ballettunterricht, verliert nach dem Tod ihres Mannes ihr Haus, ihr Handeln, eine Mischung aus Stolz, Naivität und Sturheit führt sie letztendlich in die Obdachlosigkeit. Die Botschaft ist hier etwas zu deutlich, die Erzählung zu vordergründig. 5 Punkte.

                                        • LantarenVenster (Rotterdam) - Lingua morta (Frankreich, 2023). Regie: Jean Ruggirello.
                                          Kurzfilm. Eine Zimmerkante, Parkettboden und Wand, an Schnüren befestigte Objekte werden gezogen, von oben heruntergelassen, bewegt, eine Schildkröte kann sich selber bewegen, oder jemand geht auf den Händen durch das Bild. 3 Punkte.

                                          • JarvisBln 30.01.2023, 22:32 Geändert 30.01.2023, 22:49

                                            Nicht in MP:
                                            LantarenVenster (Rotterdam) - The Lady from Constantinople (Ungarn, 1969). Warum diese grosse Regisseurin hier nicht einmal einen Namenseintrag hat gehört zu den grossen Unzulänglichkeiten dieser Seite.
                                            Der Film ist ein Meisterwerk, wir folgen einer älteren Frau (beeindruckend gespielt von Manyi Kiss), die in ihrer überladenen Wohnung alten Zeiten nachhängt und Schlager hört, sich als was Besseres fühlt und den Nachbarn in ihrem Wohnblock mehr oder weniger auf die Nerven fällt. Im Sozialismus sind Wohnungen knapp, ihr wird ein Wohnungstausch nahegelegt, was sie zum informellen Wohnungstauschmarkt auf der Strasse führt, alle Interessenten werden eingeladen, die Wohnungsbesichtigung artet zur absurden Party aus. Man merkt dass Judit Elek vor diesem Film dokumentarisch gearbeitet hat (die Strassenszenen sind improvisiert), und der Kamermann Elemér Ragályi bewegt sich fliessend und weich durch die Menschengruppen. In der neuen Wohnung unter ihrem alten Kronleuchter wieder die alten Schlager. Eine Studie in Einsamkeit, mit absurdem Humor und Liebe zu den Menschen. 10 Punkte.
                                            In Anwesenheit der 85-jährigen Regisseurin, die viel zu erzählen hat.

                                            • Nicht in MP:
                                              Pathé (Rotterdam) - Munnel (Sri Lanka, 2023). Regie: Visakesa Chandrasekaram. Ohne Kenntnisse der jüngeren Geschichte Sri Lankas nicht ganz zu verstehen, dennoch faszinierend die Mischung aus Weissagungen einer Göttin, Kasten, verbotener Zonen und gerichtlicher Aufarbeitung von Kriegsverbrechen, Schuld und Instagram. 6 Punkte.

                                              • 7 .5

                                                Sorgfältig gestaltete Gegenbilder, die sich den Kategorien schön-hässlich entziehen, sie zeigen einfach was da ist, was man auch bei so manchem Spaziergang entdecken kann. Das ist mehr mein Berlin als jeder Mitte-Film.

                                                • 6

                                                  Ein Stück Eskapismus mitten im Krieg. Der (nicht gelungene) Versuch eine Mischung aus US Revuefilm und Sophisticated Comedy, mit für die Entstehungszeit erstaunlich offener Erotik (u.a. ein nacktes Malermodell, knapp 10 Jahre später sorgte eine ähnliche Situation in der "Sünderin" für Skandale), und einer Hauptfigur, die Mutter, aber nicht Ehefrau sein will. Hübsche Running Gags und flüssige Kameraarbeit des Tschechen Jan Roth.

                                                  • 7

                                                    Eine Geschichte von Rassismus und Klassismus, ein Working Class Hero auf der Suche nach seinem Platz in der Welt, ein Film über Arbeit, Gesellschaft und Menschen (diese wunderbaren Grossaufnahmen), und wie das zusammengehört. Mit viel Motownmusik.