Wir schauen Hannibal - Staffel 3, Folge 1

06.06.2015 - 08:15 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
AntipastoNBC
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Nach einem geschlagenen Jahr quälender Warterei geht Hannibal in die dritte Runde und macht genau da weiter, wo es aufgehört hat. Klassische Musik, surreale Close-Ups und Food Porn. Alles beim Alten also.

Lange genug mussten wir warten, nun dürfen wir endlich wieder in die Hannibal-Welt von Bryan Fuller eintauchen. Auch wenn sich Antipasto aus mehreren Gründen wie ein Vorgeplänkel anfühlt, wie ein zwar passender, aber im Vergleich zu dem, was noch kommen wird, harmloser Einstieg in ein 13-Gänge-Menü, dessen Bestandteile sich momentan bloß vage erahnen lassen. Überraschend ist das nicht, nicht nur weil es sich hier um das Antipasto handelt, sondern auch weil Fuller einfach nicht stillhalten kann, wenn es um sein Baby geht. Ziemlich früh im Entstehungsprozess der dritten Staffel verkündete er, dass wir in der ersten Folge gar nicht erfahren werden, wie das Massaker im Haus ausgegangenen ist. Es werde allein um Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) und seine vermeintliche Komplizin Bedelia du Maurier (Gillian Anderson) gehen und da gibt es mehr als genug Material, um eine Episode zu füllen.

Zunächst einmal dämmert uns allmählich, dass es sich hier nicht um eine gleichberechtigte Partnerschaft handelt, wie es das Ende der vergangenen Staffel angedeutet hat, sondern dass Bedelia mehr oder weniger die Gefangene von Lecter ist. Hannibal wird in dieser Episode vor allem als psychologische Gefahr charakterisiert, denn auch wenn wir ihn sogar buchstäblich beim Töten zusehen, so ist der Terror, der nicht von seiner physischen Präsenz ausgeht, noch viel angsteinflößender. “I still believe I’m in conscious control of my actions. Given your history, that’s a good day”, erwidert Bedelia auf die Frage, wie es ihr geht, und spätestens hier wird uns allmählich klar, in was für einer schmerzhaften Position sie sich befindet. Ihre einsamen, mysteriösen Ausflüge durch die Straßen von Florenz und an den Bahnhof tun ihr übriges, um uns erahnen zu lassen, dass Hannibal ein Psychospielchen mit ihr treibt, aus dem sie so schnell nicht wieder herauskommt. Die genauen Umstände sind nicht ganz klar. Es hat bloß offensichtlich etwas mit Bedelias Patienten Neal Frank (Zachary Quinto) zu tun, den sie aus Notwehr (?) umgebracht hat.

Stellvertretend für den Psychoterror, den Bedelia ertragen muss, steht die Dinner-Szene mit Anthony Dimmond (Tom Wisdom), die gleichzeitig auch als Musterbeispiel für den schwarzen Humor dieser Serie funktioniert: Dimmond merkt an, dass die Römer ihren Tieren das selbe Essen gaben, um ihren Geschmack zu verbessern. "My husband has a very sophisticated palate, he is very particular about how I taste", erwidert Bedelia darauf, woraufhin Anthony sich nur fragen kann: "Is it that kind of party?" Es werden vielsagende Blicke ausgetauscht, vor allem Hannibals amüsiertes, erwartungsvolles Lächeln, das Bedelia anstrahlt, als wollte es sagen "Ich weiß gar nicht, ist es?" reiht sich in die lange Geschichte des bitterbösen Humors dieser Serie ein, wofür sie die Fans so zu schätzen gelernt haben.

Dieser Humor wird lediglich von Flashbacks zu Abel Gideon (Eddie Izzard) übertroffen, in denen er zusammen mit Dr. Lecter nach und nach sich selber verspeist. Die Ausgangssituation an sich strotzt schon vor pechschwarzer Absurdität, wie sie nur in Hannibal möglich sein kann, doch das Dinner mit Gideon etabliert vor allem zentrale Themen dieser Staffel. Hannibal Lecter wird weiter entmenschlicht, indem er eine klare Hierarchie zwischen sich und seinen Opfern aufbaut. "It's only cannibalism if we're equals", lässt er Gideon wissen, bevor er sich genüsslich ein Stück seines Beins auf der Zunge zergehen lässt. Diese Geste sagt im Grunde schon alles über Hannibal, bzw. über seine Sicht auf zwischenmenschliche Beziehungen. Er selbst befindet sich in einer übergeordneten Position, die nicht mehr viel mit der eines Menschen zu tun hat. Daraus ergibt sich dann auch der Schmerz aus der Trennung von Will Graham (Hugh Dancy): Will war für Hannibal stets diejenige Person, die ihn nicht wie Alien aussehen ließ. Sie befanden sich auf Augenhöhe. Natürlich lässt sich Lecter nichts anmerken, doch die Last dieser fehlgeschlagenen Freundschaft ist nicht zu verkennen, immerhin hatte er letzte Staffel gar eine gemeinsame Zukunft mit Will geplant. Von dem sehen wir in dieser Episode nichts, doch aus den Gesprächen mit Abel Gideon ist eindeutig zu entnehmen, dass das Verhältnis der beiden auch in dieser Staffel wieder eine zentrale Rolle einnehmen wird.

Antipasto ist ein ungewöhnlicher Staffelauftakt für eine Serie, die stets mit niedrigen Einschaltquoten zu kämpfen hatte. Es ist beruhigend zu sehen, dass Bryan Fuller und vor allem die Produzenten von NBC scheinbar voll und ganz auf die treue, bereits vorhandene Fanbase von Hannibal vertrauen, denn eine neue Zuschauerschaft gewinnt sicherlich niemand mit einer derartigen Episode: Vollkommen entschleunigt lehnt sie sich noch mehr (!) als gewohnt auf extrem stilisierte Bildkompositionen, streut vereinzelte surreale Szenen mit ein und lässt alles von einem Sound begleiten, den Brian Reitzell irgendwie noch schräger und verstörender klingen lässt, als wir es gewohnt sind. Die Dialoge sind in ihrer Künstlichkeit ebenso verwirrend wie anstrengend, der Humor sehr speziell und die Motive und Geschehnisse werden niemals wirklich ausbuchstabiert. In dieser konsequenten Anti-Haltung protzt Antipasto gewissermaßen mit einer Fan-treuen Exklusivität, fast schon so kompromisslos, als wolle es potentiell neue Zuschauer von vornherein verschrecken, noch bevor die Staffel erst so richtig los geht. Denn mit solch einem Einstieg in die dritte Staffel wird sich niemand anfreunden können, der nicht schon vorher Fan war. Es ist zweifellos ein mutiger Schritt, der Fans der Serie glücklich und die Spannung auf die kommenden zwölf Episoden nur noch größer machen dürfte.

"You are not dead yet, Able, you still have to eat."

Notizen am Rande:

- Hannibal ist dafür bekannt, keine Tabus zu kennen, wenn es um die Darstellung von verstörender Gewalt geht. Doch es gibt eine Grenze, die Bryan Fuller nicht überschreiten wird: Vergewaltigungen. In einem Interview  mit der Entertainment Weekly spricht er über Game of Thrones und verrät, warum Vergewaltigungsszenen keine Option für Hannibal sind.

- Die Szene, in der Hannibal auf dem Motorrad durch das nächtliche Paris fährt, hat sich ganz stark wie eine Hommage an Michael Mann angefühlt, der vor 30 Jahren mit Blutmond - Roter Drache den ersten Lecter-Film inszenierte.

- Bryan Fuller macht eigentlich den ganzen Tag nichts anderes, als in Capslock über Hannibal zu twittern.  Hin und wieder kommen da auch sehr interessante Informationen an die Öffentlichkeit. So hat Mads Mikkelsen scheinbar auf mehr nackte Körper  in Staffel 3 bestanden.

- In dieser Serie passieren allerlei unmenschliche Dinge, doch hin und wieder wird es auch richtig humanistisch. Ich schätze absolut niemand hier kann es Anthony verübeln, mit Mads Mikkelsen und Gillian Anderson an einem Tisch gesessen und nach einem Dreier gefragt zu haben.

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