Großes Gangsterkino made in Germany

11.05.2011 - 08:50 Uhr
Im Schatten von Thomas Arslan
Filmgalerie 451
Im Schatten von Thomas Arslan
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Berliner Schule meets französisches Gangsterkino! So gute Thrillerkost gab’s schon lange nicht mehr aus Deutschland, findet unser DVD-Kolumnist Thomas Groh: Thomas Arslans Im Schatten, eine existenzialistische Gangsterballade zwischen Dur und Moll.

Genrekino in Deutschland – ein Jammerspiel? Mitunter schon durchaus. Natürlich gibt’s da Dominik Graf, den großen Schutzpatron des hiesigen Genrefilms, dann aber auch all die unsäglichen “Little Hollywood”-Versuche, die zwar mit viel, aber doch zu wenig Budget hektisch den großen Vorbildern aus den USA hinterherhecheln. Dabei könnte es so einfach sein, wenn man nur weiß, was man a) will und b) schaffen kann: Thomas Arslan, wie Christian Petzold einer der älteren Absolventen der so genannten Berliner Schule (hier unsere kürzliche Spurensuche), macht es mit seinem gerade auf DVD veröffentlichten Thriller Im Schatten mustergültig vor und präsentiert einen der grandiosesten deutschen Thriller der letzten Jahre: Das vergleichsweise geringe Budget setzt hier den Rahmen – statt cooler, überdrehter Posen zählen bei Arslan Professionalität in der Umsetzung und absolute Konzentration auf das Wesentliche.

Gangster-Handwerk vor grauem Berlin-Ambiente

Womit auch schon Trojans (Misel Maticevic) kennzeichnendste Tugenden genannt wären: Als Profi-Dieb hat er im Knast natürlich die Schnauze gehalten und will, kaum aus der Haft entlassen, zum einen seine Kohle aus dem letzten Job und dann aber so schnell wie möglich den nächsten Auftrag. Straßenromantik, Vagabundentum – alles seine Sache nicht. Er ist Handwerker und Präzisionsarbeiter: Der Job wird geplant und erledigt – sauber, schnell, effizient und zielorientiert. Ein Profi, bei dem jeder Handgriff sitzt, ein naher Verwandter von James Caan in Thief – Der Einzelgänger – unweigerlich fragt man sich, warum ein solcher Mensch nicht einfach Karriere macht – statt dessen lebt er, wie der Titel sagt, im Schatten.

Im Schatten, man muss das so klipp und klarr sagen, ist ein makelloser Film – jedes Bild (Kamera: Reinhold Vorschneider, ein Mann, nach dessen Arbeiten man unbedingt Ausschau halten muss!) ist präzise und klar komponiert, stimmig an die anderen angeschmiegt und exakt von jener Dauer, die es braucht. Das spröde und kühle in der Inszenierung, was man an der Berliner Schule entweder schätzt oder ihr mitunter vorwirft, ist hier von absolutem Gewinn: Berlin, von Geir Jenssen (besser bekannt unter seinem Projektnamen Biosphere) in dräuend-wabernde Ambientsound gegossen, ist eine genau kartografierte Betonstadt voller kreuz und quer gehender Linien, ein öffentlicher Raum voller verschanzter Räume und Transitorte – Hotelzimmer, Brachen und dergleichen -, dem jegliche Tourismuslogik gründlich aus den Bildern getrieben wurde.

Das hypnotische Ergebnis erinnert an die ganz großen: An den Minimalismus von Jean-Pierre Melville muss man denken oder an das Hochkonzenrtierte in den Filmen von Michael Mann. Kino der großen Gesten und Posen ist das eindeutig nicht, was Thomas Arslan hier im Sinn hat: Zum Glück muss man sagen, in Im Schatten trifft die Präzision der Berliner Schule auf die Tugenden des erwachsenen Genrekinos. Und das ist große, ganz große Klasse!

Eine tolle DVD

Die Filmgalerie 451, ohne Zweifel eines der engagiertesten DVD-Labels in Deutschland, bringt Im Schatten in einer hervorragenden Edition mit gestochen scharfer Bildqualität auf den Markt. Auch die Bonusmaterialien sind sehr gut und nicht nur werbetechnische Maßnahmen: Neben einem ausführlichen Video-Statement von Thomas Arslan, was für ihn den großen Reiz dieses Projekts ausmachte, gibt es noch ein vom Regisseur kommentiertes Feature über die Locationsuche vor dem Film – das klingt zunächst ungewöhnlich, macht aber angesichts des Konzepts des Films auf jeden Fall Sinn, da dieser zum nicht geringen Teil von der Ästhetik der sorgfältig ausgesuchten Locations – und dabei vor allem von den gezeigten Wohnungen und Hotelräumen – lebt. Und schließlich gibt es einen sehr informativen Audiokommentar, in dem Thomas Arslan sehr detailliert über die zahlreichen Herausforderungen des einerseits sehr niedrig budgetierten, andererseits sehr konzentrierten Drehs berichtet und dabei vor allem auch immer wieder das Augenmerk auf die hochpräzise Körperarbeit der Schauspieler lenkt – kurz: ein Audiokommentar, der den Film nochmal entschieden bereitet.

Noch ein Hinweis zum Schluss: Wer Thomas Arslan nun für sich als Regisseur entdeckt hat, hat allen Grund zur Freude. Mit den Filmen Der Schöne Tag und Geschwister – Kardesler bringt die Filmgalerie 451 zeitgleich noch zwei etwas ältere Filme des Regisseurs auf den Markt, zwei Dramen, die zwar Arslans Qualitäten als Thrillerregisseur noch nicht erkennen lassen, aber ebenso wie Im Schatten genau beobachtete, präzise und reflektiert inszenierte Filme darstellen.

Und dann noch der Trailer

Im Schatten ist bei Amazon für 13,99€ erhältlich.

Jetzt seid ihr gefragt: Was haltet ihr von der Öffnung der Berliner Schule hin zum Thriller? Und wie müssen Thriller eurer Meinung nach sein, um euch zu fesseln: hypnotisch konzentriert oder soll es ordentlich krachen?

Thomas Groh lebt in Berlin, arbeitet für die Programmvideothek Filmkunst im Roderich und schreibt über Filme, zum Beispiel für die Filmzeitschrift Splatting Image, die taz und das Onlinekulturmagazin Perlentaucher. Wenn er nicht gerade sein Blog aktualisiert, verfasst er wöchentliche DVD-Kolumnen für den moviepilot, in denen er Filme von etwas jenseits des Radars empfiehlt, zuletzt etwa eine Box mit Filmen von Abbott & Costello, die Trilogie des Lebens von Pasolini und als Osterfilm “Falsches Spiel mit Roger Rabbit”.

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