Pre-Code Hollywood: Ausflüge zur falschen Seite der Gleise

23.11.2017 - 00:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Mae Clark und James Cagney in The Public Enemy
Warner Home Video
Mae Clark und James Cagney in The Public Enemy
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Selbstzensur sorgte drei Jahrzehnte lang für falsche Sittsamkeit im amerikanischen Film. Angeschossene Cowboys, die nicht bluten? Pre-Code Hollywood erzählte einst ganz andere Geschichten.

Als 1927 mit The Jazz Singer der erste Tonfilm erschien, brach ein neues Zeitalter an. Die Möglichkeiten des Mediums alarmierten umgehend Vertreter/innen der Kirchen in den USA, die sich um die Verrohung der Kinder Sorgen machten. Einzelne US-Staaten sahen sich gezwungen über die Zensur von Filmen nachzudenken und entsprechende Komitees einzusetzen, die diese Aufgabe fachmännisch übernahmen. Die großen Hollywood-Studios hielten Zensur durch die Behörden natürlich für ein schlechtes Geschäft und wollten sich selbst um die moralischen Standards in ihren Filmen kümmern.

Das Hays Office als Wächter nationaler Moralvorstellungen

Sie beauftragten deshalb Will H. Hays  damit, eine Liste von „Don’ts“ und „Be Carefuls“ anzulegen, die gewisse Schimpfwörter oder unmoralische Handlungen katalogisierte. Diese Zusammenstellung – unter anderem auch „The Formula“ genannt – wurde 1927 eingeführt und sollte verpflichtend für alle Filmschaffenden in Hollywood sein. Sieben Jahre lang waren Hays‘ Ressourcen allerdings äußerst limitiert. Sein Büro bestand nur aus einer kleinen Truppe von Zensoren, die sich mit Unmengen an Filmmaterial auseinandersetzen mussten. Zensor im „Hays Office“ war deshalb ein undankbarer Job, den die Angestellten ungern machten. Zudem scherten sich wenige der filmschaffenden Künstler/innen um die Moralvorstellungen des Mittleren Westens und der Kirchen und nahmen Hays und seinen Kodex schlicht nicht ernst.

Will H. Hays. Coole Socke.

Die Freiheit Pre-Code Hollywoods hielt sich ganze vier Jahre

Im Jahr 1930 wurde Hays‘ Formel zum Motion Picture Production Code  weiterentwickelt, doch fehlte es weiterhin an Personal und Willenskraft ihn tatsächlich umzusetzen. Innerhalb dieser vier Jahre entstand eine Vielzahl von Filmen, die sich mit Außenseitern, Gewalt, Erotik, weiblicher Selbstbestimmung, Alkoholproblemen und gesellschaftlichen Missständen auseinandersetzten. Filmemacher nutzten den Tonfilm, um verschiedene Milieus auf der Leinwand zum Leben zu erwecken und Geschichten zu erzählen, die außerhalb der Lebenswelt vieler Kinogänger jener Zeit stattfanden.

Im Jahr 1934 stellten die Film-Studios dem Hays Büro letzten Endes die notwendigen Mittel zu Verfügung, um die Selbstzensur gewissenhaft umsetzen zu können. Von da an drückte der sogenannte „Hays Code“ ganze 34 Jahre lang den Filmen Hollywoods seine Vorstellungen von Moral und Sittsamkeit auf.

Klickt hier für meinen ausführlichen Artikel über Pre-Code Hollywood. Darin spreche ich über folgende Filme: Hell's Angels, The Public Enemy, Little Caesar, Scarface, Red-Headed Woman und Baby Face.

Wer sich gerne Filme aus jener Zeit ansehen möchte, kann auf die DVD-Zusammenstellung Forbidden Hollywood  zurückgreifen. In insgesamt 9 einzeln bestellbaren DVD-Sets sind fast alle wichtigen Filme der Zeit zu finden. Checkt auch eure Moviepilot-App. Manch ein Film jener Zeit ist eventuell auch bei einem Streaming-Anbieter verfügbar. Auf Wikipedia sind alle wichtigen Vertreter zusammengefasst .

Habt ihr bereits einen Film aus der Pre-Code-Ära gesehen?

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