"Es wird Zeit", schrieb New York Times-Kritiker Vincent Canby 1984, "dass jemand Isabelle Adjani ein Drehbuch vorlegt, in dem sie nicht verrückt werden muss". Kein Wunder, dass Canby Ein mörderischer Sommer gar nicht mochte, 5 Millionen französische Zuschauer konnten jedoch nicht genug von der verführerischen Adjani bekommen, die in der Literaturverflimung von Jean Becker allerdings Possession-mäßige Abgründe vermeidet. Die Provence ist schließlich auch ein bisschen freundlicher als ein U-Bahn-Tunnel im geteilten Berlin.
Die sonnigen Aufnahmen provinziellen Lebens in Ein mörderischer Sommer verbergen das dunkle Herz eines Film noir. Der Psychothriller eröffnet vergleichsweise konventionell mit der jungen Éliane, genannt "Elle" (Isabelle Adjani), die mit ihren Eltern in ein südfranzösisches Örtchen zieht. Durch ihre sexuelle Freizügigkeit (der Trailer bewirbt diese mit der Eleganz eines Eis am Stiel-Ablegers) verdreht und verstört sie die Einwohner gleichermaßen. Der schüchterne Mechaniker Pin-Pon (Alain Souchon) verfällt ihr im Nu. Als Elle von seiner Familiengeschichte hört, entwickelt sie ein besonderes Interesse für den Verehrer, das fatale Konsequenzen nach sich zieht.
Wem "Isabelle Adjani" als schlagendes Argument (und was will man dem entgegenhalten?) nicht genügt, der kann sich auf einen ungewöhnlichen Neo-Noir freuen, dessen Hauptfigur an Frau ohne Gewissen oder Heißblütig - Kaltblütig erinnert und der sich im weiteren Verlauf der Handlung auch bei Rashomon - Das Lustwäldchen bedient. Clayton Dillard von Slant lobt, wie der sinnliche Thriller den Wahnsinn seiner Hauptfigur in einen größeren gesellschaftlichen Kontext stellt, den des Frankreichs der Nachkriegszeit und seiner umgestürzten Traditionen. Vor allem aber: Isabelle Adjani spielt mit!
Heute im TV: Ein mörderischer Sommer (1983)
Sendezeit: 20:15 Uhr
Sender: Arte